#HamburgNimmAuf – Offener Brief an den Hamburger Senat

Sehr geehrte Senator*innen,

die Situation der geflüchteten Menschen in den Lagern auf den griechischen
Inseln ist katastrophal und vollkommen menschenunwürdig. Die provisorischen Notunterkünfte sind komplett überfüllt – so leben im Camp Moria, ursprünglich ausgelegt für 3.000 Menschen, annähernd 20.000 geflüchtete Menschen. Die hygienischen Bedingungen sind desaströs, es mangelt an Wasser und Nahrungsmitteln. Durch das neue Coronavirus hat sich die Lage noch deutlich zugespitzt.

Mit dessen globaler Ausbreitung verändert sich auch in Europa die Situation der Gesundheitsversorgung und vielen Menschen ist die eigene Verletzlichkeit bewusster denn je. Umfangreiche Maßnahmen werden in den EUMitgliedstaaten ergriffen, um die Pandemie einzudämmen.

Den geflüchteten Menschen jedoch werden nötige Schutzmaßnahmen verwehrt. Ihre gesundheitliche Versorgung ist ohnehin unzureichend, einfachste Hygienestandards können nicht eingehalten werden und physical distancing ist in den überfüllten Lagern unmöglich. So müssen die Menschen täglich auf engem Raum stundenlang für Essen und Wasser anstehen. Ein Großteil der Schutzsuchenden ist durch die Strapazen der Flucht sowie die grauenhaften Lebensbedingungen im Lager physisch geschwächt und psychisch stark angeschlagen, sodass die Mehrheit den Coronavirus-Risikogruppen zuzurechnen ist. Eine Ausbreitung von COVID-19 wird daher dazu führen, dass viele Menschen sterben. Darum müssen wir jetzt endlich handeln!

Abschottung darf nicht die Antwort auf diese Notlage sein. Die Coronakrise ist ein zusätzlicher Grund, solidarisch mit allen Menschen zu sein, auch an den EU-Außengrenzen. Natürlich müsste die EU eine gemeinsame Lösung finden. Doch darauf warten wir nun schon viel zu lange – ergebnislos.

Solange die EU nicht handelt, sind Staaten, Städte und Kommunen in der Verantwortung, europäische Werte praktisch umzusetzen. Bisher wurden lediglich290 Minderjährige sowie einige Ihrer Angehörigen in Deutschland aufgenommen. Von ihnen hatten etliche ohnehin wegen familiärer Bindungen einen Rechtsanspruch auf die Aufnahme.

Die geplante Aufnahme von insgesamt 500 unbegleiteten und kranken Kindern und Jugendlichen durch die Bundesrepublik wäre zwar gut, bleibt aber angesichts der Gesamtzahl schutzbedürftiger Menschen ein Tropfen auf den heißen Stein. Somit können wir bislang nur ein beschämendes Versagen feststellen. Es müssen nicht nur einige unbegleitete Kinder aus den Lagern evakuiert werden, sondern alle etwa 40.000 auf den griechischen Inseln gestrandeten Menschen. Eine vollständige Evakuierung wäre für Deutschland zu bewältigen – doch der politische Wille fehlt, das Machbare umzusetzen und Humanität über die eigenen Egoismen zu stellen.

Hamburg hat sich zum sicheren Hafen erklärt und seine über bestehende Verpflichtungen hinausgehende Aufnahmebereitschaft bekräftigt. Solange die Bundesregierung und der Bundesinnenminister Menschen in Lebensgefahr belassen, muss Hamburg solidarisch handeln, auch wenn dies zu einem Konflikt mit der Regierung führt.

Deshalb fordern wir als Bündnis vielfältiger Organisationen dieser Stadt den Hamburger Senat auf: Hamburg muss sofort mindestens 1.000 Menschen über ein Landesaufnahmeprogramm aufnehmen!

1.000 Menschen hier aufzunehmen, ist für Hamburg kein Problem. Selbst der Innensenator sagte noch vor einigen Wochen, wir hätten sofort Platz für 3.000 Menschen. Dies verdeutlicht, dass auch unter erhöhten Hygieneanforderungen die Kapazitäten für mindestens 1.000 Menschen vorhanden sind. Dabei ist nicht einmal berücksichtigt, dass zum Beispiel leere Hotels vorübergehend zur Unterbringung genutzt werden könnten. Auch nach Berechnungen mit dem Königsteiner Schlüssel entfielen 1000 Personen auf Hamburg, wenn Deutschland 40.000 Menschen evakuieren würde.

Es ist an der Zeit, in der EU, in Deutschland, aber auch speziell in Hamburg nicht mehr nur von Menschenrechten und Solidarität zu sprechen, sondern aktiv für sie einzustehen!

Mit freundlichen Grüßen
AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit
Aufstehen gegen Rassismus Hamburg
Bündnis Solidarische Stadt Hamburg
Deutscher Kinderschutzbund Landesverband Hamburg e.V.
Die Linke – Bezirksvorstand Wandsbek
Flüchtlingshilfe Harvestehude e.V.
Gängeviertel e.V.
Hamburg traut sich was
AG Soziales der SOPO
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Bunte Hände
Studentische Initiative der Arbeitsstelle Migration an der HAW
DGB-Jugend Hamburg
Die Linke – Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft
Flüchtlingshilfe Kirchwerder
Grüne Jugend Hamburg
Hamburger Netzwerk
SGB II Menschen Würde – Rechte
AStA Uni Hamburg
Bergedorfer für Völkerverständigung e.V.
CampusGrün
DIDF Jugend
Ende Gelände Hamburg
Flüchtlingsrat
Hamburg e.V.
Hamburg für Frauen
Hamburger Bündnis gegen Rechts
Initiative Willkommen in Süderelbe
OMAS GEGEN RECHTS Hamburg
Seebrücke Hamburg
Welcome to Wandsbek
LandesAStenkonferenz Hamburg
Interventionistische Linke
Ottenser Gespräche zu Flucht und Migration
VVN/Bund der Antifaschist*innen
Welcome to Barmbek
Jugendwerk der AWO Hamburg
RESQSHIP
Watch the Med Alarmphone Hamburg
Willkommens KulturHaus
Kirchen Gemeinde Ottensen

Karin Beier – Intendantin des Deutschen Schauspielhauses
Fabio de Masi – stellvertr. Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Bundestag
Hartmut Ring – Pädagog*innen für den Frieden
Prof. Dr. Annita Kalpaka – HAW Fakultät Wirtschaft & Soziales, Abt. Soziale Arbeit
Maria Westberg – Bezirksabgeordnete, DIE LINKE
Esther Bejarano – Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Amelie Deuflhard – Intendantin Kampnagel
Helene Heuser – RefugeeLawClinic, Fakultät für Rechtswissenschaft der Uni HH
Tobias Schmidt – Lampedusa in Hamburg
Hartmut Ring – Pädagog*innen für den Frieden
Anja Bensinger-Stolze – Vorsitzende GEW Hamburg
Anke Ehlers – Vorsitzende GEW Hamburg
Regina Jürgens – Landesvorstand DIE LINKE
Christiane Schneider – ehem. Vizepräsidentin der
Hamburgischen Bürgerschaft, DIE LINKE
Julia Koch – Nordkirche, Referentin für Friedensbildung